Otterndorf 2025

Vom Winde verweht…

Vor der DHM 2025 wollten Josefine und ich unbedingt noch eine Regatta fahren. „Otterndorf“ war uns beiden ein Begriff, irgendwas in der Region. Es kann also nicht weit sein, sollte ein ganz unkompliziertes Unterfangen werden! Nun kann es aber möglicherweise sein, dass wir „Ottendorf“ im Kopf hatten. Da gibt es aber auch gar kein Regatta-geeignetes Wasser, also im Endeffekt wohl besser so. Naja Otterndorf mit „r“ bedarf dann doch einer etwas weiteren Anreise, und so überlegten wir: Mit dem Zug? Mh riskant. Ein Auto leihen? Aber ohne Begleitung auf die Regatta ist es auch nicht so schön. Also eine Anfrage an die Allgemeinheit, ob uns jemand begleiten würde. Schließlich finden sich Vivi und Simon - nicht nur als aufopferungsvolle Regattabegleiter:innen, sondern Simon sogar als heldenhafter Auto-Provider! Die lieben Leute von Germania nehmen Plietsch für uns mit, also ist alles geregelt! Mit Simons rotem Flitzer (der wenige Wochen später bei Elfsteden fast Franzi zum Opfer fallen soll, aber dazu ein andermal mehr) geht es am Samstag sehr früh aus Kiel los. Samstag - zwei Tage bevor Josefine ihre Bachelorarbeit abgeben muss und auch ich sollte eher an meiner Masterarbeit sitzen… naja.. wir wollen rudern!

Wir sind in zwei Rennen gemeldet. Im ersten ist außer uns nur noch ein weiteres Boot am Start - Bremen. Bremen, gegen die wir uns schon auf der DHM letztes Jahr geschlagen geben mussten. Aber wir sind natürlich trotzdem gewillt, nochmal alles zu geben! Otterndorf ist an diesem Tag (bis auf das Pony neben dem Bootshaus) gar nicht mal so idyllisch, wie es sich anhört. Es weht ein heftiger Wind, schon beim Tragen wird uns Plietsch fast aus der Hand geweht. Aber wir haben es ja gleich geschafft, nur noch schnell die Bootskontrolle. Es wird an den Schuhen gerüttelt - bei drei von vieren ist alles in Ordnung, die Ferse ist ans Boot gebunden. Am vierten Schuh passiert was bei diesen sinnlos rostanfälligen Schuhen (kann auch niemand ahnen, dass Ruderschuhe gelegentlich nass werden, sonst hätte man sie wohl aus rostfreien Materialien hergestellt) irgendwann passieren muss: die Schnalle bricht ab, sie ist durchgerostet. „So kann ich euch nicht aufs Wasser lassen“ heißt es. Jetzt müssen wir uns etwas einfallen lassen und zwar möglichst schnell. Dadurch dass die Lasche ab ist, gibt es keine Stelle mehr, an der man die Schnur befestigen könnte. Kurzerhand und mit etwas mehr Freude als angemessen stechen wir beherzt ein Loch durch die Ferse des Schuhs und knoten das Band hindurch. Jetzt dürfen wir endlich aufs Wasser!

Josefine und ich kämpfen uns den schmalen Kanal in Richtung Start hoch. Auf der Strecke, die gefühlt für zwei Boote schon recht eng ist, kommen einem nun Boote im Rennen entgegen. Ganz schön stressig! Wir kommen auf Grund des Last-Minute-Dramas mit dem Ruderschuh so spät am Start an, dass wir direkt in Position müssen (nichts, das uns aus der Ruhe bringen würde, kennen wir alles schon von der letzten DHM). Am Start weht der Wind so heftig, dass wir nach den ersten zwei Schlägen mit den Blättern der Bremerinnen verkannten und wie beim Boat Race diesen Jahres neu starten müssen. Wie beim Boat Race kann auch bei uns der verpatzte Start nichts am Schicksal des Rennens ändern. Die Bremerinnen ziehen stark von uns weg, auch wenn wir bis zum Ende mit eisernem Willen gegen den Gegenwind ankämpfen.

Das erste Rennen läuft also alles andere als ideal, aber immerhin ist der Bann gebrochen und die Aufregung mittlerweile etwas verflogen. Nicht verflogen ist aber der Wind, der wird eher immer stärker. Und auch vom Ausblick auf das nächste Rennen wird die Motivation nicht unbedingt gestärkt: obwohl im zweiten Rennen immerhin 7 Boote gemeldet sind, starten wir wieder… gegen Bremen. Aber auch das ist eine gute mentale Übung: wir wissen, dass die beiden schneller sind als wir, aber wir nehmen uns vor, einfach das Beste aus unserem Rennen zu machen. Mit dieser Einstellung gehen wir an den Start - nach unserem Faux-pas in Rennen eins nun so früh, dass Josefine irgendwann blaue Lippen hat und ich mir mehrfach überlege, ob wir nicht einfach in die andere Richtung wegrudern und uns einen netten Tag machen können (wir hätten Simon und Vivi natürlich eingesammelt und mitgenommen). Schließlich fahren wir doch das Rennen, gegen Bremen, gegen den Wind und ein bisschen auch gegen uns selbst. Wild angefeuert werden wir dabei von Alko und man fragt sich, wo sie diese Energie herhat, schließlich ist sie selbst zum rudern da (und das an diesem Tag sehr erfolgreich)!

Otterndorf läuft insgesamt alles andere als ideal für uns. Bei so starkem Wind sind wir beide noch nie Rennboot gerudert und für das Gefühl, das wir uns so wünschen, dass es im Rennen mal so klappt, wie in einem perfekten Training, war heute auch nicht der Tag. Aber wir haben wie immer ganz viel gelernt, werden langsam routinierter, was die Abläufe bei Regatten angeht und sind am Ende des Tages trotzdem stolz und froh dabei gewesen zu sein!

Highlight des Tages ist dann am Ende fast nicht das Rudern, sondern die Heimfahrt über die Elbfähre, bei der Vivi und ich noch einen ordentlichen Schwall Wasser abkriegen, während wir staunend zuschauen, wie die Wellen an den Bug der Fähre klatschen. Wenn der Tag eines war, dann ein Ausflug mit lieben Menschen, bei dem wir ganz viele Erfahrungen sammeln durften. Wie kommen wieder!

Lucie Seibt