Ochseninseln-Wanderfahrt

Dass es kalt werden würde, so mitten im Herbst auf einer unbewohnten Insel, 200 m vor der dänischen Küste, 7 km vom Flensburger Ruderklub entfernt, das haben sie im Vorfeld oft zu hören, unsere eifrigen Wanderfahrer:innen Gerrit Widera, Johanna Kanwisch, Simon Tautz, Harro Bitterling, Ellen Krohn, Felix Kronenberg, Volker Kerssenfischer, Tim Krüger, Helmchen und Aslì (letztere gehören zum RKF).

Dass es eine Feuerstelle und gutes Wetter geben würde, die Schlafsäcke warm sein werden und wir sogar einen Innenrigger fahren dürften, das konnten dann nur die herausfinden, die sich trotzdem getraut haben. Und so muss ich schon vorweg eine Einladung aussprechen, im kommenden Jahr alle Bedenken zu verwerfen bei der nun aus der Wiege gehobenen Herbstwanderfahrt teilzunehmen; es lohnt sich!

Doch beginnen wir am Freitagabend auf einer WG-Party am Dreiecksplatz, wo Felix bereits mit seinem Ohrwurm und späteren musikalischen Leitmotiv der Wanderfahrt, dem Orca vor Mallorca des hauptberuflich Zähne behandelnden Interpreten Tobee zu kämpfen hatte. Trotz mehrfacher Wiedergaben verschwand der Ohrwurm bis Samstagmorgen nicht aus seinem Kopf und so wurden zuerst Ellen, Harro und Simon auf dem Weg vom Flensburger Bahnhof zum Ruderklub Opfer der in bester ARV-Manier dargebotenen Gesänge, wenig später sollte die gesamte Truppe Bekanntschaft mit dem durstigen Fisch machen.

Dann, gegen Mittag, begann die Wanderfahrt mit dem Verzehr von einigen flux geschmierten Käsebroten. Tim entdeckte währenddessen die aufregend kreative Grillkonstruktion des gastgebenden Ruderklubs, unwissend dass das Motiv des ausgeschlachteten Hauswirtschaftsraums auch an späterer Stelle im Boot wieder aufgegriffen werden würde: Die Pützen des RKF sind aufgeschnittene Flüssigwaschmittel-Flaschen. Anscheinend ist die in Flensburg für das Material verantwortliche Person meisterhaft im upcycling!

Harro, der Ideenstifter dieser Wanderfahrt, führte uns anschließend den eingangs erwähnten Innenrigger Kerteminde vor, also eine breite Seegig ohne Ausleger, bei denen die Dollen direkt an der Bordwand angebracht sind und die Rudernden steuerbord -  backbord versetzt Platz nehmen. Das hat den großen Vorteil, dass ein Gespräch mit der hinterrücks sitzenden Person ohne Verrenkungen möglich ist, liebende könnten sich sogar küssen, sollte ihre Liebe groß und frech genug sein, den Schlag aus dem Takt zu bringen. Ohne die Ästhetik der synchronen Blätter zu stören, eignet sich natürlich auch dieses Riemenboot zum gleichzeitigen Genuss von Ruderschlägen und Bier, von welchem Harro reichlich bei einer lokalen Brauerei besorgt hatte. Zusätzlich zu Lebensmitteln, die verheißungsvoll abends zu einem deftigen, veganen Linseneintopf verarbeitet werden sollten, wurde alles am Steg verladen.

Da es noch früh und das Revier unbekannt war, entschied sich die Gruppe, zuerst die Flensburger Innenstadt vom Wasser aus zu erkunden. Vom Ruderklub los, an der Werft vorbei, wird die Förde immer schmaler und erinnert damit auch an die heimatliche Hörn-Runde, wobei die Runde einen Kilometer länger ist und es nicht zuletzt deshalb einiges neues zu entdecken gibt: Schwimmende Blumenkübel, Fischbrötchenbuden, Hafenkräne und einen langsamen Innenrigger – Moment, das ist ja unserer! Aber dies war eine willkommene Möglichkeit für die Besatzung des E-Vierers Morgenschwimmer Getränke und Raffi in Wartepausen zu verzehren, skullbedingt waren sie dazu während des Ruderns nicht in der Lage.

Es ist nun wirklich kein weiter Weg zu den Ochseninseln und so ließ es sich mit entspannten Ruderschlägen und vielen Pausen bis zum späten Nachmittag gemütlich einrichten, dort anzukommen.

Nachdem wir die von uns per Internetreservierung eroberte Insel erkundet hatten, wurde die Feldküche aufgebaut, welche Harro mit einiger Ausrüstung zu bestücken wusste. In zeitweise fünf Töpfen garte der vegane Linseneintopf von Küchenchef Felix, eine Menge, die bereits Skepsis auslöste; doch Felix kannte seine Linsen und seine Leute, es wurde alles aufgegessen. Nur ein auf Basis eines Rechenfehlers gekaufter Zusatzsellerie wird erst beim Dienstagsessen im ARV seinen Weg in die leeren Mägen gefunden haben.

Der Abend klang aus, wie es sein soll: Das Lagerfeuer prasselte im Gegensatz zum befürchteten Regen und die geselligen Gespräche deckten das typische, breite Spektrum ab. Wir bekamen endlich eine Orginalversion des Orca vor Mallorca zu hören, nachdem uns auch den Nachmittag über erwartungsvolle Eigeninterpretationen begleitet hatten, die große Tüte mit Kondomen entpuppte sich als große Tüte mit Grillanzündern und bezüglich der darüber hinausgehenden Themen waren sich auch alle weitestgehend einig. Exemplarisch dafür soll hier festgehalten werden: China ist nicht überbevölkert (zumindest nicht im Hinterland), in Indien muss man aufpassen, was man trinkt und Innenrigger sind tolle Boote.

Die Nacht ermöglichte allen dann endlich Ruhe vor dem Orca, doch geräuschvoll war es trotzdem: Je moderner die Luftmatratze, so schien es, desto lautere Geräusche erzeugt sie auch, wenn man sich auf ihr umdreht. Zum Glück haben alle nach dem anstrengenden Tag draußen gut geschlafen und es hat vor allem niemand gefroren!

So vegan, wie es angefangen hatte, wurde morgens dann auch das Frühstück serviert. Harro hat nochmal die Kocher angeschmissen und bestes Porridge britischer Art zubereitet. Zum dritten Topf war dann auch das perfekte Mischungsverhältnis zwischen Beton und wässriger Hafersuppe gefunden, wo dann auch alle kräftig zugelangt haben.               

Das Wasser war so ruhig, sodass wir nach dem Beladen der Boote die beiden Ochseninseln in Form einer 8 umrunden konnten, um Abschied zu nehmen. Mit kräftigen Schlägen ging es anschließend zurück nach Flensburg und der Inhalt der Raffi-Boxen wurde dabei freundschaftlich geteilt. Der Austausch dieser zwischen den Booten wäre fast in einen Wurfwettbewerb ausgeartet, nur das Fangen ist nicht der Rudernden Ding und das Einsammeln der schwimmenden Boxen auf Dauer auch mühselig.

Nach dem Anlegen in Flensburg gab es eine kleine Abschlussrunde, in der nochmal eine Live-Version des Orca vor Mallorca abgespielt wurde; anschließend warfen die Flensburger uns raus. Wir danken Harro für die tolle Idee und ich hoffe, dass sich die kommenden Jahre weniger Leute von den Temperaturen abschrecken, sondern viel mehr von dieser kompakten, ereignisreichen Wanderfahrtserfahrung anziehen lassen!

Halt stopp! Der Orca ist gar kein Fisch. Das ist ein Säugetier!

 

Felix Kronenberg